Wenn du ein Wanderfan bist oder noch werden willst, weißt du, wie wichtig die richtige Kleidung für einen tollen Wandertag sein kann. Zwar ist es verlockend, in der immer gleichen alten Jeans mit einem netten T-Shirt und irgendwelchen Sportschuhen auf den Trail zu gehen, aber das ist bei dem heutigen Stand der Technik, als würdest du im Hochsommer ein Auto ohne Klimaanlage fahren. Geht schon. Irgendwie. Aber es geht definitiv auch besser.
In diesem Beitrag werde ich dir die Eckpunkte der guten Wanderkleidung erklären, damit du deine zu dir passende Wandergarderobe zusammenstellen kannst. Denn das gilt natürlich auch: Jeder Jeck ist anders und am Ende musst du dich auf dem Weg wohlfühlen und gesund wieder heim kommen.
Das Zwiebelprinzip
Wenn du je schon mal eine Zwiebel schneiden durftest, dann kennst du das ja: Die Zwiebel ist von außen schön kompakt und rund. Und dann pellt man eine Schale ab. Und noch eine. Und dann kommt noch eine Schale. Und noch eine… Am Ende schneidest du durch die Schalen, die du haben möchtest und findest nur in der Mitte einen ziemlich winzigen Kern.
Als Wanderer stellst du deine Kleidung am Besten so zusammen, als wärst du die Zwiebel. Wenn du mehrere unterschiedliche Schichten miteinander kombinierst, kannst du viel feiner deine Kleidung an deine Bedürfnisse in dem Moment anpassen, als wenn du versuchst, alle Funktionen in ein oder zwei Schichten zu packen.
Nimm beispielsweise lieber ein T-Shirt plus ein leichtes Fleece anstatt einem dicken Fleece mit. So kannst du dich leichter von einer Lage trennen, wenn dir bei einem Aufstieg heiß wird, ohne daß du gleich in Unterwäsche da stehst.
Und wenn es auf einmal frisch wird, kannst du eine Lage ergänzen. Das wird besonders auffällig bei Jacken in Übergangszeiten. Wenn du mit einer Jacke mit dicker Isolation unterwegs bist, kann es dir passieren, daß der Wind oder Regen dich dazu zwingen, die Jacke anzuziehen. Aber gleichzeitig ist dir durch deine Bewegung oder die Sonne so warm, daß du eigentlich dringend die Jacke ausziehen müsstest. Du wirst es lieben, wenn du in dem Moment nur die dünne Außenhülle (egal ob nur Windjacke oder Regenjacke) anziehen und die Isolationsschicht im Rucksack lassen kannst.
Die wichtigsten Schichten
Wenn du das Zwiebelprinzip umsetzen möchtest, wirst du meist auf die Beschreibung von drei Schichten stoßen:
- die Basis-Schicht
- die mittlere (oder Isolations-) Schicht
- die äußere Schicht
die Basis-Schicht
Die Basis-Schicht wird direkt auf der Haut getragen und hat die Aufgabe, Schweiß nach außen abzuleiten und Trockenheit zu gewährleisten. Das sind vor allem die Unterwäsche und das Unterhemd, sofern getragen.
Bei dieser Schicht ist es wichtig, dass sich die Materialien nicht mit Schweiß vollsaugen und sehr schnell trocknen. Klassische Baumwollunterwäsche fällt dadurch vor allem bei den Unterhemden raus. Sie sind zwar wunderbar angenehm auf der Haut, aber Baumwolle saugt sich prima mit Feuchtigkeit voll und braucht dann vergleichsweise lange zum trocknen. Es gibt wenig, was dich in einer Pause schneller frieren läßt, als nasse Kleidung auf der Haut.
Für Wanderungen sind also meist Kunststoff-Materialien wie PE die bessere Wahl. Bevorzugt mit Silberionen, um die Geruchsbelästigung im Griff zu behalten.
Wenn du nicht empfindlich bist, kannst du auch dünne Wollstoffe versuchen. Sie wärmen auch wenn sie feucht sind und zumindest sehr dünne Stoffe (mit Grammaturen bis 200 g/m2) trocknen oft recht schnell, wenn sie einmal die Chance dazu bekommen. Allerdings sind sie meist auch anfälliger für Löcher und Risse als Kunststoffe.
die mittlere Schicht – die Isolation
Die Mittel-Schicht isoliert den Körper und dient als zusätzliche Wärmeisolation. Hier findest du vor allem Bestandteile der Ski-Unterwäsche, wie Leggings und eng anliegende Pullover. Aber auch Fleecejacken und ähnliche wärmende Kleidungsstücke.
Während die Basis-Schicht den Schweiß von der Haut wegleiten und dich auf der Haut trocken halten soll, soll die Isolationsschicht den Schweiß möglichst nach außen ableiten und vor allem ein Luftpolster um dich herum bilden, das dich gegen die Außenwelt abschirmt.
In dieser Schicht hat sich die Merinowolle wieder einen festen Platz im Wandersortiment erobert. Sie kann bis zu 30% ihres Gewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und fühlt sich trotzdem noch trocken an. Und die meisten Menschen können Wolle tagelang tragen, ohne dass es müffelt. Eindeutig von Vorteil, wenn du nicht täglich an einer Waschmaschine vorbeikommst und nicht ungezählte Ersatz-T-Shirts mitschleppen kannst.
Icebreaker war einer der ersten Hersteller, der die Merinowolle wieder in Mode gebracht hat. Inzwischen haben aber sehr viele Hersteller Merino-Oberteile und -Leggins im Sortiment.
Trotzdem sind auch die Fleece-Oberteile und Ski-Unterwäsche aus Kunststoff nicht zu verachten. Sie sind inzwischen häufig mit Silberionen-Technologien oder anderen Erfindungen gegen das Müffeln ausgestattet und haben oft eine ähnliche Wärmeleistung wie die Wolle bei geringerem Gewicht. Und dazu sind sie meist robuster als ihre Woll-Kollegen.
Wenn es um die genaue Auswahl der Teile geht, sind Fleecejacken übrigens den Fleecepullovern meist im Alltag überlegen: wenn es ohne Fleece zu kalt, aber mit zu warm ist, kannst du die Fleecejacke anziehen, aber offen lassen oder den Reißverschluss nur zum teil schließen. Bei einem Pullover, selbst mit einem längeren Reißverschluss hast du die Möglichkeit nicht. Und gerade in den Übergangsjahreszeiten kommt man erstaunlich oft in so eine seltsame heiß-kalt Situation.
die äußere Schicht – die Schutzhülle
Die äußere Schicht hat den schwierigsten Job von allen. Sie soll gleichzeitig
- vor Regen und Wind schützen,
- Kontakt mit Büschen, Felsen und Boden abhalten, wenn du ihn nicht vermeiden kannst
- die Reibung deines Rucksacks aushalten
- Auskühlung und Überhitzung verhindern
- Taschen für den notwendigen Kleinkram unterwegs aufweisen (und das Zeug bestenfalls gleich trocken halten)
- den Schweiß nach außen ableiten und verdunsten lassen, damit du nicht in deinen Klamotten gar gekocht wirst
Aber sonst hat sie nix zu tun…
Meist wird die äußere Schicht in zwei Lagen aufgeteilt. Im Alltag sind meist eine robuste Wanderhose mit Taschen und, wenn überhaupt, eine dünne Windjacke im Einsatz. Damit sind meist die robuste Außenhülle mit guter Belüftung und Taschen abgedeckt.
Und erst wenn es regnet, kommt das Regenzeug raus. Für den Schutz des Oberkörpers hast du die Wahl zwischen Regenponcho und Regenjacke. Für die Beine läuft es auf eine Regenhose oder einen Regenrock plus Gamaschen hinaus. Aber über den Regenschutz schreibe ich noch einen extra Artikel. Denn gerade Dauerregen gut zu überstehen ist eine Kunst für sich.
Die äußere Schicht ist die einzige, wo du heute oft noch auf Baumwolle stößt. Du findest sie noch recht häufig in Stoffgemischen für die Wanderhose und manchmal auch in Jacken. Sie sorgt dafür, daß die Kleidung ein wenig leiser ist, als wenn der Stoff aus purem Kunststoff wäre.
Es sind allerdings heute fast ausschließlich Stoffgemische, denn Baumwolle braucht ewig zum trocknen, wenn sie einmal so richtig durchweicht ist. Die Jeans, die am ersten Wandertag in einem starken Regenguss so richtig eingeweicht wurde, wird auch die restliche Wanderwoche nicht mehr richtig trocken, wenn du nicht das Glück hast, in einer Pension mit einem Trockner zu übernachten. Daher sind viele moderne Hosenstoffe Baumwoll-Gemisch oder gleich ganz aus Kunstfaser.
Das gleiche Problem gibt es mit Wolle. Zwar ist echter Wollloden ein wirklich toller Begleiter, sobald du dich an das Gewicht gewöhnt hast. Mit dem Trageklima kann immer noch keine Softshell mithalten. Aber wenn es den Loden so richtig einweicht, wird er nicht nur tonnenschwer, sondern braucht fast noch länger als Baumwolle um wirklich zu trocknen (und Trockner ist bei Loden keine Option). Und so geht dieser Naturstoff besser nur auf Tagestouren oder kürzere Wandertouren mit passenden Wetteraussichten mit.
Für die längeren Touren oder absehbar regnerisches Wetter sind die modernen Kunststoffe mit ihren leistungsstarken Membranen die bessere Wahl. Eine schnell trocknende, möglichst wind- und mückenfeste Wanderhose ist eine gute Basis für viele Touren. Und eine gut sitzende Regenjacke mit einer leistungsstarken Membran kann den Unterschied zwischen einem entspannten Wandertag trotz Regen oder dem endlosen Wandertag als nasse, frierende Katze ausmachen.
3. Über den Einkauf
Wenn du anfängst, deine Wander-Garderobe zusammenzustellen, wirst du schnell feststellen, daß du locker ein kleines Vermögen ausgeben kannst, nur um dich mit den Basics einzukleiden. Jacken für 300-500€ sind keine Seltenheit und die anderen Teile sind im Vergleich zu den Preisen der Alltagsmode ebenfalls oft atemberaubend.
Für den Einstieg kannst du meist problemlos das nehmen, was du schon zur Hand und im Haus hast. Und den Rest suchst du dir einzeln zusammen. Und das lohnt sich. Eine leistungsstarke Wanderkleidung kann selbst Ausflüge mit durchwachsenem Wetter zu einem netten Tag werden lassen. Du erinnerst dich dann wahrscheinlich doppelt so gern an das Restaurant, wo du eingekehrt bist, den fast menschenleeren Aussichtspunkt, oder den Moment, an dem die Wolken aufreißen und die Landschaft wie frisch geschrubbt leuchtet. Und daß, ohne die unangenehmen Erinnerungen an das Gefühl von nass-kalter Katze oder offenen Blasen am Fuß.
Sobald du ein wenig Wandererfahrung hast, kannst du dich im Markt umsehen, welche Wanderjacken oder Wanderhosen dir das bieten, was du für deine Lieblingswanderungen brauchst.
Wo kaufe ich günstig Wanderkleidung?
Und sobald du weißt was du suchst, geht es in den immer größer werdenden Second-Hand Markt und du schaust, was du finden kannst. Zwei der großen Online-Secondhand-Plattformen mit recht vielen Angeboten an Wanderkleidung sind Momoxfashion und Vinted. Aber auch auf ebay Kleinanzeigen und vielen anderen Plattformen kannst du für Wanderkleidung auf Schnäppchenjagd gehen.
Vor Ort gibt es inzwischen auch immer mehr Outdoor-Händler wie Globetrotter, die in ihren Läden Secondhand-Bereiche haben, in die du immer einen Blick werfen kannst. Meist sind diese in der Nähe vom Eingang oder den Kassen.
Oder beobachtest die Schlussverkäufe mit ihren Rabatten. Dort kannst du Jacken, Hosen, Isolationsteile für teilweise den halben Preis ergattern. Und es ist ja auch okay, im Frühling die Skiunterwäsche des letzten Jahres zu kaufen. Du brauchst sie wahrscheinlich sowieso im nächsten Herbst. Und Socken brauchst du immer.
Auf welche Siegel kann ich beim Kauf von Wanderkleidung achten?
Wenn du besonders Ressourcenschonend handeln möchtest, dann achtest du noch auf Siegel, die dir wichtig sind. Die bekanntesten sind aktuell:
- Bluesign: Dieses Siegel stellt hohe Anforderungen an die gesamte Wertschöpfungskette der Textilproduktion, einschließlich Ressourcenproduktivität, Verbraucherschutz, Gewässerschutz, Immissionsschutz und Arbeitssicherheit.
- Fair Wear Foundation: Dieses Siegel konzentriert sich auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Herstellungsländern und wird von vielen bekannten Herstellern wie Vaude und Schöffel unterstützt.
- Öko-Tex Standard 100 und Made-in-Green by Öko-Tex: Diese Zertifikate prüfen Produkte auf Schadstofffreiheit und stellen sicher, dass die gesamte Produktionskette nachhaltig und sozial verträglich ist.
- Global Organic Textile Standard (GOTS): Dieses weltweit anerkannte Siegel garantiert, dass Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern hergestellt werden und strenge soziale Kriterien entlang der gesamten Produktionskette eingehalten werden.
- IVN BEST: Ein weiteres strenges Siegel, das hohe ökologische und soziale Standards setzt, insbesondere in Bezug auf die Verwendung von Naturfasern und die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen.
- Grüner Knopf: Dieses staatliche Siegel aus Deutschland fordert die Erfüllung von 20 Unternehmens- und 26 Produktkriterien, die sowohl soziale als auch ökologische Aspekte umfassen. Es setzt auf Transparenz und Nachhaltigkeit in der Textilproduktion.
Das sind die bekanntesten Siegel, welche oft weltweit gültig sind, aber noch lange nicht alle, denn die großen der Branche erfinden immer mehr Siegel hinzu.
die wichtigsten Accessoires für Kopf und Füße
Nachdem Oberteile und Hosen bedacht sind, dürfen natürlich die Enden vom Körper nicht vergessen werden: Kopf, Hände & Füße.
Denk daran Schuhe und Socken von guter Qualität zu tragen. Die Schuhe müssen in jedem Gelände gut an deinem Fuß sitzen und brauchen einen guten Grip auf unebenem Untergrund und Gestein. Bevorzugt auch dann, wenn die Wege nass sind.
Der beste Schuh nutzt aber wenig, wenn du keine guten Socken darin anziehst. Deine Wandersocken müssen gut sitzen, dürfen nicht rutschen (und blasenverursachende Falten werfen) und sind am Besten auch praktisch gepolstert. Die meisten Wandersocken sind inzwischen aus Merino-Kunststoff-Gemischen oder pur aus Synthetikfasern.
Falls du mit Wanderschuhen oder Trailrunnern unterwegs bist und ständig Steinchen im Schuh findest, dann können Mini-Gamaschen vom Typ Dirty Gaiter für dich interessant sein. Sie decken den Übergang von Schuh zu Socke ab und halten die lästigen Steinchen draußen.
Für deinen Kopf brauchst du einen Sonnenhut und Sonnenbrille. Der Sonnenhut sollte entweder ernsthaft sicher sitzen oder hat ein Sturmband, damit ihn nicht jede Windböe vom Kopf fegt.
Wenn du in den kälteren Monaten unterwegs bist oder in kühle Höhen aufsteigst, gehören auch Mütze, Schal und Handschuhe in den Rucksack.
Die richtige Wanderkleidung kann einen großen Unterschied zwischen Wanderlust und Wanderfrust ausmachen. Erfahrung zu sammeln und sich Stück für Stück die richtige Garderobe für dich selbst zusammenzustellen ist ein kleines, aber lohnendes Abenteuer für jeden. Und wenn du zwar die richtigen Klamotten hast, aber dich noch fragst, was du an Ausrüstung auf einer Tagestour brauchst, dann kannst du direkt weiter lesen. Oder du möchtest eine Tagestour planen, hast aber noch keinen echten Plan? Dann lies hier weiter.
Viel Spaß beim wandern!